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Lothar Lambert, Ulrike S., Albert Heins, Dagmar Beiersdorf 

 

Die Liebeswüste

1986, 16 mm (1:1,33), s/w, 61 Min.

Regie, Buch, Kamera, Ton, Schnitt, Produktion: Lothar Lambert. Kamera in der Rahmenhandlung: Eberhard Geick. Ton in der Rahmenhandlung und Mischung: Michael Eiler.

Darsteller: Dagmar Beiersdorf, Albert Heins, Doreen Heins, Michael Hülsmann, Abbas Kepekli, Lothar Lambert, Jessica Lanée, Hans Marquardt, Friederike Menche, Stefan Menche, Dorothea Moritz, Erika Rabau, Ulrike S., Dieter Schidor, Semra Uysallar.

 

Kurzinhalt

Am Schneidetisch sichtet Lothar Lambert die Reste seines neuesten Films, von dem durch einen Fehler des Kopierwerks rund die Hälfte der Aufnahmen zerstört wurden. In Gesellschaft von Dagmar Beiersdorf, Ulrike S. und Albert Heins – die die Fragmente zum größten Teil äußerst kritisch kommentieren –, schildert Lambert mit Hilfe des verbliebenen Materials die Odyssee einer der geschlossenen Psychiatrie entflohenen stummen Frau durch West-Berlin und die Sehnsüchte, Nöte und bescheidenen Freuden anderer Großstadtneurotiker, die ihren Weg kreuzen.

 

Inhalt (ENTHÄLT SPOILER)

Hinter einem breiten, aber niedrigen Loch in einer lädierten Backsteinmauer erscheint eine Person mit einem Buch in einer Hand, lugt durch die Öffnung, steckt dann die andere Hand durch das Loch und streicht über die Backsteine. Zwischentitel: „Kein Schwanz ist so hart wie das Leben. Berliner Toilettenspruch“
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Lothar Lambert erinnert sich (2009)

Das Kopierwerk hatte tatsächlich einen Großteil der Aufnahmen zerstört. Es war wirklich eine Katastrophe. Ich habe alles, was erhalten geblieben war, in dem Film verwendet. Ich benutze ja sowieso immer alles, was ich gedreht habe. Aber anders, als es in „Die Liebeswüste“ dargestellt wird, haben wir Szenen noch einmal gedreht. Denn gerade die Sexszenen mit Dieter Schidor, der extra aus München angereist war, waren zerstört worden, die wichtigsten Szenen waren alle weg. Seinen Schlußauftritt mit dem Stock hatten wir ursprünglich im Görlitzer Tunnel zwischen Oppelner und Liegnitzer Straße gedreht, von dem man heute nur noch Reste im Görlitzer Park sieht. Beim zweiten Mal haben wir’s dann an dieser Toilette am Preußenpark gemacht. Die Geschichte mit dem großen Zeh von Ulrike S. haben wir erst beim Nachdreh erfunden. Man bleibt ja nicht stehen bei dem, was man schon hatte, man geht doch dann weiter. Und da es ja kein Drehbuch gab, konnte ich noch eine „Zehszene“ einbauen.

Der ursprünglich geplante Film ist nicht abgedreht worden. Ich hab ja immer, was wir aufgenommen hatten, gleich ins Kopierwerk gebracht. Vielleicht hatte ich vor der Katastrophe das belichtete Material ausnahmsweise gesammelt, weil Dieter Schidor gerade da war und ich die Zeit genutzt hatte, um alles zu drehen, was mit ihm zu tun hatte. Nachdem das zerstört worden war, habe ich aufgegeben, das Projekt so weiterzuverfolgen, wie ich es mir gedacht hatte. Eigentlich hatte ich sowieso nicht viel geplant, sondern wollte erst einmal die verschiedenen Geschichten erzählen und später sehen, wie ich sie miteinander kombiniere, am Schneidetisch. Ursprünglich sollten das locker miteinander verbundene Episoden werden: Jeder leidet mehr oder weniger still vor sich hin. Ulrikes echtes Hochzeitsphoto setzt den Schlußpunkt. Nach der Kopierwerkskatastrophe ist der ganze Schaffensprozeß zusammengebrochen. Bis ich gesagt habe: Ich mache den Film nicht wie geplant, das halte ich nicht aus. Aber Schidor, den will ich drin haben, der war zu allem bereit, das kann man nicht einfach so abbrechen oder vergessen. Er hat sich dann die Zeit genommen, das alles noch mal zu spielen, dafür war ich natürlich sehr dankbar. Ursprünglich war er an mich herangetreten, weil er durch Zufall „Faux Pas de deux“ gesehen hatte, im Kid im Kant-Kino, und danach gesagt hatte: Wer solche Filme macht, den muß ich kennenlernen. Er trat dann ja schon in „Drama in Blond“ auf. Er hatte noch die Rechte an „Querelle“, und ich hatte ihm vorgeschlagen, bevor diese abliefen, noch mal eine realistische Schwarzweißadaption von dieser Vorlage zu machen, ganz anders als Fassbinders Version. Das hatten wir beide im Hinterkopf. Aber dann ist sein Freund Michael McLernon, der Australier war, und mit dem er meine Filme nach Australien gebracht hatte, gestorben. Schidor hat versucht, sich umzubringen, mit den Tabletten, die er in „Verbieten verboten“ zeigt, und ist dann an den Folgen dieses Suizidversuchs gestorben.

Die Auseinandersetzungen am Schneidetisch, die jetzt die Rahmenhandlung bilden, geben einen Teil des Feedbacks auf meine Filme wieder, nach dem Motto: Warum muß das immer so ein Schweinkram sein? Du kannst die Diskussion zwischen Dagmar, Ulrike, Albert und mir natürlich auch als ironischen Kommentar dazu verstehen. Ich schmettere ja vor der Kamera alle Einwände wütend ab. Dagmar beispielsweise fand meine Filme aber wirklich immer zu deftig, ein bißchen zu hart. Sie hat alles immer menschenfreundlicher verpackt. Bei „Dirty Daughters“ hat sie sich noch am meisten von mir beeinflussen lassen. Ihre Farbfilme wurden dann schon geschmeidiger.

Der Schneidetisch stand im Studio von Michael Eiler, meinem Tonmann bei den Albert-Heins-Produktionen. Es könnte der Schneidetisch gewesen sein, den ich nachher von ihm gekauft habe. Ich bin früher auch wirklich gern auf Rummelplätze gegangen. Heute mach ich das nicht mehr. Das hat altersbedingt nachgelassen, wie meine Liebe zum Tanzen. Es war für mich auch immer ein Kick, meine Ängste zu überwinden und in die „gefährlichsten“ Fahrgeschäfte einzusteigen. Jetzt, mit meinem Bluthochdruck, würde ich das sowieso nicht mehr machen.

Aber ich schaue zum Frühstück immer noch in alle Zeitungen und hebe dann Ausgaben mit Schlagzeilen auf, die ich mal in einem Film verwenden könnte. Das beruhigt und regt zugleich an.

Renate Soleymany hatte damals gerade eine schlechte Zeit, wollte wahrscheinlich nicht vor die Kamera, deshalb haben wir nur ein paar Tonaufnahmen gemacht. Die Dame im Pelz, über die Ulrike S. herfällt, ist tatsächlich eine ehemalige Mitschülerin von mir. Die lebt in Frankreich, war gerade zu Besuch bei ihrem Vater in Berlin, da hab ich sie gleich wieder vor die Kamera gezerrt. In die war ich auch mal verliebt, in der Schule. Der Florist ist einer der Travestiekünstler, die in „Drama in Blond“ auftreten, Jessica Lanée. Ist leider an Aids gestorben. In dem Blumenladen im U-Bahnhof Rathaus Steglitz, wo Ulrike ihm begegnet, hat er auch wirklich gearbeitet. Daß „Die Liebeswüste“ mein letzter Film ist, in dem sie eine Hauptrolle spielte, war keine Entscheidung von mir. Womöglich nach dem Motto: Mir fällt nichts mehr zu ihr ein, ich möchte nicht mehr mit ihr arbeiten. Sowas würde ich nie machen, das ist nicht meine Art. Sie hat, zusammen mit Hans Marquardt, selbst Abstand von mir und meiner Art des Filmemachens genommen.

 

Kritische Anmerkungen