Ulrike S., Renate Soleymany, Stefan Menche
Die Alptraumfrau
1980, 16 mm (1:1,33), s/w, 86 Min.
Regie, Buch, Kamera, Ton, Schnitt, Produktion: Lothar Lambert.
Darsteller: Ulrike S., Dagmar Beiersdorf, Robert Cutts, Walter Earl Haroway, Lotti Huber, Mustafa Iskandarani, H.W. Kurth, Lothar Lambert, Bernd Lubowski, Hans Marquardt, Stefan Menche, Dorothea Moritz, Erika Rabau, Maryse Richter, Manfred Salzgeber, Uwe Sange, Renate Soleymany, Angie Stardust, Roland Stoos, Cemal Ünsal, Lia Wagner, Christoph Wellemeyer, Wolfram Zobus, die Band „Brutto/Netto“ (Sänger: Bruno Ferrari) u.a.
Der Titel des Films spielt an auf Blake Edwards’ damals populäre Komödie „10“, die in Deutschland als „Zehn – Die Traumfrau“ lief.
Kurzinhalt
Eine nicht mehr ganz junge Frau versucht – unter anderem mit Hilfe von Psychiatern und Tabletten –, ihre zahlreichen, seit der Kindheit entwickelten psychischen Probleme zu bewältigen und zu sich selbst zu finden. Sie erinnert sich an ihre Ehe, die von Gewalt geprägt war, allerdings auch nicht von größerer Lieblosigkeit als ihre aktuelle Beziehung. Und sie wird immer wieder überwältigt von masochistisch geprägten Sexphantasien, für die sie sich schämt.
Inhalt (ENTHÄLT SPOILER)
Schrifttafel: „Einmal nahm sie ihren Mut zusammen und suchte Spuren ihrer Kindheit. Sie fand den Namen, den sie in die Wand des alten Hauses gekratzt hatte. Ihre erste Liebe. Aber ihren eigenen Namen suchte sie vergeblich.“ Eine traurig dreinblickende Frau sitzt in einem Garten und streicht durch diesen, auch an einem vermauerten alten Gebäude (die damals verwahrloste Schwartzsche Villa in Berlin-Steglitz) entlang. [weiter]
Lothar Lambert erinnert sich (2009)
„Die Alptraumfrau“ entstand aus der persönlichen Geschichte von Ulrike S. heraus. Sie hat ja nun mal diesen Augenfehler, und es ist auch ihr echtes Photoalbum, das man im Film sieht. Der Putzzwang könnte auch von ihr übernommen worden sein, ich weiß es nicht mehr. Zu den Träumen der Hauptfigur inspirierte mich allerdings Dagmar Beiersdorf, die eine rege Sexualphantasie besaß. Ulrike hatte ihren ersten Auftritt bei mir ja, noch unter ihrem vollen Namen, in „Tiergarten“. Wir haben uns dann angefreundet, und wenn jemand aus meinem Bekanntenkreis bereit ist, in einem meiner Filme mitzuspielen, klappt das auch irgendwann. Wobei Ulrike begeistert war und darauf drängte, drehen zu können. Ich habe auch Freunde, die sind nie vor die Kamera getreten. Ebenso habe ich meine eigene Familie ziemlich außen vor gelassen: Nur meine Cousine spielte in „Gut drauf, schlecht dran“ am Grab von Marlene mit ihrem kleinen Sohn, der dann in „Qualverwandt“ noch einmal auftauchte als Sohn von Michael Sittner.
Der Dreh in Amsterdam kam zustande, weil Manfred Salzgeber uns zu einer Tournee mit einigen meiner Filme durch Deutschland und eben auch durch die Niederlande angeregt hatte. Und der Türkei-Dreh, weil mich ein türkischer Freund eingeladen hatte. Ich hab Ulrike mitgenommen, und er spielte dann im Film ihren Verehrer. Den Psychologen gab Robert Cutts, der mehrmals einen Arzt bei mir spielte. Das lag nahe, weil er als Röntgenologe im Jüdischen Krankenhaus im Wedding arbeitete. Für „Faux Pas de deux“ hatten wir an seinem Arbeitsplatz gedreht.
Die Probeaufnahmen mit Beate Hasenau, über die nur gesprochen wird, sollten eigentlich gezeigt werden, aber ich hatte vergessen, einen Film in die Kamera zu legen. Weil mir das so peinlich war, habe ich dann versucht, mit den Standphotos, die von diesen Dreharbeiten übriggeblieben sind, eine Szene zu gestalten. Etwas ähnliches ist mir auch mal in Cannes passiert, wo ich lauter Interviews gemacht und die ganzen eitlen Leute photographiert hatte. Dann kam ich nach Hause, und es war kein Film im Apparat gewesen.
Wie es dazu kam, daß Ulrikes Sohn Christoph Wellemeyer in einigen Filmen mitspielte, meist sogar als Sohn der von Ulrike gespielten Figur, weiß ich nicht mehr. Ich brauchte zwar nicht unbedingt einen Sohn, aber wenn ein Sohn da ist – warum soll man ihn nicht einsetzen? Und wenn du siehst, daß deine Mutter vor der Filmkamera steht – warum solltest du da nein sagen? Als Pubertierender möchte man sich natürlich darstellen. Ulrikes Nachnamen hatte ich abgekürzt, weil er mir als zu langweilig erschien. Wahrscheinlich war ich von Bruno S. inspiriert. Ich kann mich nicht erinnern, daß Ulrike Einwände dagegen hatte. Sie nannte und nennt sich seither bei ihren künstlerischen Aktivitäten mal S., wenn ihr etwas daran liegt, daß man sich an ihre glorreiche Underground-Vergangenheit erinnert, und mal Schirm, wenn ihr etwas daran liegt, daß man das nicht tut.
Wolfram Zobus hatte nach „1 Berlin-Harlem“ einen Auftrag vom „Kleinen Fernsehspiel“ des ZDF bekommen für einen Dokumentarfilm zu irgendeinem Sozialthema, das war ja seine Spezialität. Da hat er weder mich mitmachen lassen noch Dagmar, die ja seine Freundin war und zu dieser Zeit auch schon Regieassistentin. Das war für uns menschlich eine große Enttäuschung, bei ihr natürlich noch mehr als bei mir, und so haben wir beiden Frustrierten uns dann zusammengetan. Aber man traf sich trotzdem durch Zufall wieder in Kreuzberger Kneipen, vielleicht hat Dagmar auch noch Kontakt zu Zobus gehabt. Er war ja immer ein origineller Typ, deshalb hab ich ihn überredet, in „Faux Pas de deux“ eine kleine Rolle zu übernehmen und die größere als Lebenspartner der „Alptraumfrau“, wo ich ihn dann schön unsympathisch gezeichnet habe.
Lotti Huber, die die Mutter spielte, hatte ich noch vor Rosa von Praunheim. Ich hätte sie also entdecken können, sie war mir aber sehr unsympathisch. Es sind ja viele Leute egozentrisch, aber sie hat auch nicht so gewirkt, daß ich gedacht hätte: Die möchte ich näher kennenlernen, mit der möchte ich mehr machen. Sie war eine Bekannte von Bernd Lubowski, der in „Die Alptraumfrau“ den prügelnden Ex-Mann der Hauptfigur spielt. Er hatte gesagt: Die würde gern filmen, mach doch mal was mit der. Da haben wir eben einen Nachmittag bei ihr in der Wohnung gedreht, und das war’s dann. Zu Praunheim paßte sie vielleicht auch besser als zu mir.
Dieses „Film-Volksfest“ fand ein paarmal auf dem großen Parkplatz hinter dem Ku’damm statt, wo heute der Walter-Benjamin-Platz samt Randbebauung ist. Da gab es Auftritte, Darbietungen, Filme, Prominenz hat sich eingefunden – wie beispielsweise Ulrich Schamoni und Eddie Constantine, die auf diese Weise kurz in meinem Film auftauchen. Und den Einsturz der West-Berliner Kongreßhalle, die später zum Haus der Kulturen der Welt wurde, haben wir sofort eingebaut, um zu zeigen, daß diese Frau jede Chance nutzt, um sich zu empören. Und sich über „Bullen“ aufzuregen, das war ja Ulrikes Lieblingsthema, darum wollte ihr Sohn ja Polizist werden. Wahrscheinlich war ich an dem Tag gerade bei ihr zu Besuch mit der Kamera, und als wir von dem Einsturz hörten, sind wir gleich zur Kongreßhalle gefahren. Die Schlußszene mit dem Gesangsauftritt haben wir dann in einem ganz kleinen Keller gedreht, extra alles so dunkel gehalten, damit man das nicht sieht, einfach nur ein Scheinwerfer auf Ulrike. Manche, die nicht genau aufgepaßt haben, dachten, das hätte im Tempodrom stattgefunden. Im Film wird aber nie behauptet, daß es dort ist.
„Die Alptraumfrau“ brachte mir internationale Aufmerksamkeit. Vorher war ich so gut wie nie auf ausländischen Festivals. Nach diesem Film kam es dann auch zu der Retrospektive in Toronto.
Kritische Anmerkungen
Kurz:
Ein Hauptwerk Lothar Lamberts und eine seiner ersten „Ein-Mann-Produktionen“: Er übernahm praktisch alle Funktionen hinter der Kamera selbst – und trat auch noch vor diese. Sein Beitrag zum damals nicht nur in Deutschland beliebten Genre des Frauenemanzipationsfilms – inspiriert von der Geschichte seiner Hauptdarstellerin Ulrike S. und den Phantasien seiner Freundin und künstlerischen Mitstreiterin Dagmar Beiersdorf – bescherte dem Regisseur internationale Beachtung. Mit zahlreichen Rückblenden und Traumsequenzen, mit kurzen Flashbacks, entsprechend vielen Schnitten und einer weitgehend eigenständigen Behandlung des Tons, der die Bilder öfter kontrastiert statt einfach die zu sehenden Gespräche wiederzugeben, ist „Die Alptraumfrau“ einer der am komplexesten gestalteten Filme Lamberts und insofern eher eine Ausnahme in seinem Oeuvre. Andererseits setzte er für ihn typische Mittel und Motive hier in nachgerade exemplarischer Weise ein: Psychische Probleme und deren ärztliche Behandlung, Ausbruch aus dem Korsett kleinbürgerlicher Konventionen und Selbstfindung, Tanz und Masturbation, Blicke in den Spiegel und in ein Zimmer, Faszination des Mediums Film, Nebenfiguren, die das Geschehen kommentierend begleiten. All dies bereits mit einzelnen Einsprengseln jener Tragikomik, die im Laufe der achtziger Jahre bestimmend für Lamberts Werke werden sollte. In deutschen Medien entspann sich nach der Premiere von „Die Alptraumfrau“ eine Debatte um die Frage, wie weit die Darstellung weiblicher Sexträume durch einen Mann (politisch) korrekt sei. Als Lebensgefährte der Hauptfigur agierte Lamberts anfänglicher Kompagnon Wolfram Zobus. Ulrike S. wurde für die folgenden Jahre zur zentralen Gestalt in einigen weiteren der wichtigsten und besten Lambert-Werke wie „Fucking City“, „Paso doble“, „Fräulein Berlin“ und schließlich „Die Liebeswüste“ – bis es nach „Gestatten, Bestatter!“ zum Zerwürfnis zwischen der Schauspielerin und dem Filmemacher kam und sie bei ihm nur noch einige Male in kleinen Nebenrollen auftrat, etwa in „Blond bis aufs Blut“.
Lang:
Weibliche Emanzipation war in den siebziger Jahren ein vieldiskutiertes Thema. Im Zuge der „neuen“ Frauenbewegung wurde auch die bis dahin nahezu rein männliche Domäne des Filmemachens gestürmt (wenngleich es bis zur Jahrtausendwende dauern sollte, bis Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen nicht mehr Ausnahmeerscheinungen waren). Bald ging es auch in Gefilden, die man eher dem kinematographischen Mainstream zuordnen könnte, um Frauen auf der Suche nach sich selbst. Bekannte Beispiele dafür aus Amerika sind Alan J. Pakulas „Starting Over“ oder Martin Scorseses Frühwerk „Alice Doesn’t Live Here Anymore“. Mit „Die Alptraumfrau“ befand sich Lothar Lambert folglich auf der Höhe des Zeitgeistes – was vermutlich dazu beitrug, daß dieser Film ihm erstmals internationale Beachtung bescheren wie auch sein kommerziell erfolgreichster werden sollte. Auch daß ein Mann das Thema weibliche Emanzipation behandelte, war so ungewöhnlich nicht. Allerdings ließ Lambert dabei nicht seiner Phantasie freien Lauf. In die Hauptfigur Beate Meitner (bei ihrem Auftritt am Filmende angekündigt als „Beate M.“) sind Motive der Geschichte und Gegenwart ihrer Darstellerin Ulrike S. – deren echtes Photoalbum dann auch beispielsweise benutzt wurde – eingeflossen. Und diese Scheinauthentizität, der von „Die Alptraumfrau“ genährte Glaube, „Undergroundkino“ bilde die Realität direkt oder zumindest direkter als gewöhnlich ab, zeige ansonsten von Film und Fernsehen ausgeblendete Bereiche der Lebenswirklichkeit, förderte sicher den Erfolg des Streifens. In Wahrheit spielte sich Ulrike S., die bis einschließlich „Gestatten, Bestatter!“ in allen Lambert-Filmen dabei sein sollte, und zwar oft in einer zentralen Rolle, allerdings nicht einfach selbst – eine Annahme, die nebenher unverschämterweise unterstellt, Ulrike S. wäre lediglich eine Selbstdarstellerin, keine Schauspielerin. Für Distanz zu ihrer Person sorgte Lambert schon dadurch, daß er der Hauptfigur sexuelle Phantasien zuschrieb, die von seiner Freundin, Kollegin und Mitarbeiterin Dagmar Beiersdorf stammten. Letztere verteidigte ihn denn auch öffentlich, als er des Films wegen von einer Autorin scharf angegriffen wurde. Jene Dame hatte als Forum für ihre Attacke das Berliner Stadtmagazin „Tip“ gewählt, und daß man auf diesem Wege eine kleine Debatte in den deutschen Medien auslösen konnte, zeigt, welche Bedeutung Zeitungen und Zeitschriften aller Art damals noch besaßen. Und natürlich, wie diskussionsfreudig man seinerzeit war.
Nicht nur wegen der internationalen Beachtung, des kommerziellen Erfolgs und des Hauptrollendébuts von Ulrike S. ist „Die Alptraumfrau“ einer der wichtigsten Filme Lothar Lamberts. Von dem Regisseur gern benutzte Mittel und Motive finden sich hier exemplarisch versammelt und eingesetzt: Es gibt einen Vorspruch, aber fast keinen Vor- oder Abspann. Im Zentrum steht eine seelisch gebeutelte Figur, die in diesem Falle sogar Psychiatrieerfahrung besitzt. Es geht um den Ausbruch aus dem Kleinbürgerdasein. Das Geschehen wird durch zwei Nebenfiguren kommentiert, die ihrerseits auch manche psychischen und sexuellen Probleme zu haben scheinen (hier sind es sogar eine Ärztin und ein Psychiater). Es wird getanzt, einmal in Unterwäsche vor dem – von Lamberts anfänglichem Kompagnon Wolfram Zobus gespielten – Lebenspartner, der aber lieber freien Blick auf den dadurch verdeckten Fernseher haben will (hier wird die Protagonistin denn auch als „Alptraumfrau“ tituliert, wobei dieser Begriff auf die gesamte Handlung bezogen doppeldeutig ist: die Frau hat ja auch Alpträume – oder vor allem Sexphantasien, welche sie im Nachhinein stets als Alpträume empfindet). Und dann noch einmal, wie aus Lambert-Filmen gewohnt, vor dem Spiegel (hier ergänzt durch Gesang, den die Protagonistin auf einen Kassettenrekorder aufnimmt), als Schritt zur Selbstfindung. Dem dient auch die Kontrolle des eigenen Körpers, die Überprüfung von dessen Attraktivität, welche in „Die Alptraumfrau“ mit gleich zwei Spiegeln geschieht. Es gibt heimliche Blicke durch eine nur einen Spalt weit geöffnete Tür. Es geht um die Faszination des Kinos (selbiges hier quasi personifiziert von Dagmar Beiersdorf und Lothar Lambert selbst), wobei in diesem Falle aus der erhofften Filmrolle nichts wird und sich die Hauptfigur ersatzweise auf einer Konzertbühne freimacht – und zwar buchstäblich. Dies wird begleitet von einer resümierenden Schlußmontage. Und natürlich gibt es auch einiges an Nacktheit und Sex, was jedoch nie spekulativ oder zur Befriedigung von Voyeurismus eingesetzt wird, sondern integraler Bestandteil des Selbstfindungsprozesses der Hauptfigur ist – bei dem Selbstbefriedigung natürlich wieder eine zentrale Rolle spielt.
Die starken Schuldgefühle, welche die Protagonistin dabei für ihre Masturbationsphantasien entwickelt und um die ein wesentlicher Teil des Filmes kreist, sind freilich recht zeitgebunden – aus heutiger Sicht erscheinen diese Träume wenig schockierend. Doch jene sexuelle Befreiung, die in den sechziger Jahren einsetzte, machte es wohl notwendig, zunächst recht streng zwischen „sauberem“ und „schmutzigem“ Sex zu unterscheiden. Hinzu kamen die Dogmen, die gerade in im weitesten Sinne linken Kreisen herrschten. „Die Alptraumfrau“ entstand eben, bevor in der ersten Hälfte der achtziger Jahre die „Postmoderne“ mit ihrem Hedonismus, ihrer Indifferenz, aber auch Ideologiefreiheit ihren Siegeszug antrat. Und bevor in den neunziger Jahren im deutschen Kommerzfernsehen zur nachmittäglichen Kaffeezeit selbst die ausgefallensten sexuellen Vorlieben und Praktiken erörtert wurden – bis das Publikum schließlich das Interesse daran verloren hatte. Vor dreißig Jahren jedoch dürfte es auch und gerade Frauen, welche sich als emanzipiert verstanden, oft nicht gegeben gewesen sein, zu unterscheiden zwischen Dingen, die man sich mal zum Spaß vorstellt, und solchen, die man wirklich erleben möchte.
Die Bedeutung von „Die Alptraumfrau“ beruht nicht zuletzt darauf, daß dies wohl jener Lambert-Film mit der komplexesten Gestaltung ist – es scheint, als hätte die Montage mindestens so lange gedauert wie die Dreharbeiten, wenngleich diese außer in Berlin (das wieder erkennbar den Hauptschauplatz bildet) an diversen weiteren Orten stattfanden. „Die Alptraumfrau“ ist eine der ersten Produktionen, bei denen Lambert praktisch alle Funktionen hinter der Kamera selbst übernahm – und schließlich auch noch vor diese trat. Der Film bietet – „Underground“-gerecht – denn auch wieder eine „schmutzige“ Machart, insbesondere was die Photographie und den daraus resultierenden optischen Eindruck angeht. Beispielsweise sieht man recht häufig Schlagschatten, einmal verschattet Lotti Huber ihr Gesicht mit der eigenen Hand – und es ist für Lambert typisch, daß er diese Einstellung trotzdem nicht noch einmal drehte. Allerdings wählte er für „Die Alptraumfrau“ einmal nicht jene gradlinige Erzählweise, die er sonst immer bevorzugte: Die für ihn ungewöhnlich aufwendige Montage rührt nicht zuletzt daher, daß er verschiedene Erzählebenen miteinander verschränkt. Es gibt zahlreiche Flashbacks, Rückblenden, Traumsequenzen. Der Ton wird über weite Strecken als unabhängiges Gestaltungselement behandelt, das die Bilder öfter kontrastiert, statt einfach die zu sehenden Gespräche wiederzugeben. Lambert geht hier weit hinaus über den von ihm bekannten Notbehelf, auf die Synchronität des nachträglich aufgenommenen Tons zu stumm gedrehten Bildern zu verzichten oder aus gleichem Grund meist den Angesprochenen statt des Sprechers zu zeigen. In „Die Alptraumfrau“ setzen Dialoge, Monologe (Gedanken, verlesene Briefe, Notizen) oder Musik oft schon vor der Szene ein, zu der sie gehören, lösen sich von ihr, oder laufen länger als sie.
Angesichts dieser vielschichtigen Gestaltung ist „Die Alptraumfrau“ nicht nur eines der besten und wichtigsten Lambert-Werke, sondern auch ein eher ungewöhnliches. Als typisch erscheint hingegen, wie der Filmemacher das Thema weibliche Selbstfindung, das so gern zu einer kinematographischen Reise durchs Jammertal benutzt wurde (und wird), erträglich machte durch die authentische Anmutung des Geschilderten und durch Einsprengsel jener Tragikomik, die im Laufe der achtziger Jahre bestimmend für Lamberts Werke werden sollte.
J.G.