Doreen Heins, Thilo Knodel
Was Sie nie über Frauen wissen wollten
Alternativtitel: Wilde Weiber GmbH
1991, 16 mm (1:1,33), s/w, 80 Min.
Regie, Buch, Schnitt: Lothar Lambert, Kamera, Ton: Albert Kittler, Lothar Lambert. Produktion: FMT, Lothar Lambert, Norddeutscher Rundfunk (Redaktion: Eberhard Scharfenberg).
Darsteller: Nilgün Taifun, Dennis Buczma, Doreen Heins, Renate Soleymany, Dorothea Moritz, Heidi Schulkowsky, Sylvia Leppin, Baduri, Lothar Lambert, Stefan Menche, Klaus Redlich, Thilo Knodel, Gert Oberfell.
Allen weiblichen Wesen jeglichen Geschlechts gewidmet.
Kurzinhalt
Leben, Lieben und Leiden der psychisch kranken Insassinnen einer therapeutischen Wohngemeinschaft in West-Berlin, in die eine junge Ost-Berlinerin zieht. Betreut von zwei altjüngferlich wirkenden Therapeuten, gesellt sich zu den Frauen bald noch der Sohn einer von ihnen, was für weiteren Konfliktstoff sorgt.
Inhalt (ENTHÄLT SPOILER)
Eine junge blonde Frau steht rauchend auf einem Bahnsteig (S-Bahnhof Savignyplatz), sie betrachtet die an der Brandwand hinter dem Gleis angebrachten Tafeln mit Bildern und der Schrift „werden WIR gedacht gemacht WIR“. Die Blondine in einem Zug. Titel. Sie läuft über eine Kreuzung (Kurfürstendamm Ecke Joachimstaler Straße), die für den Verkehr offenbar gesperrt ist, es findet ein Straßenfest statt. Die Frau betrachtet (in der Kantstraße vor dem Theater des Westens stehend) ein Plakat für den Film „Die Frauen“ (am Delphi-Palast). Die Frau klingelt an der Tür eines Hauses, neben der ein Schild „Psychotherapeutische Praxis Wielandstraße“ hängt. [weiter]
Lothar Lambert erinnert sich (2010)
Eine wesentliche Anregung war, daß eine der vier Hauptdarstellerinnen wirklich mal in einer therapeutischen Wohngemeinschaft gelebt hatte. Da es mein erster Film nach dem Mauerfall war, habe ich die Grenzöffnung gleich miteingebaut. Doreen Heins war ja tatsächlich aus dem Osten gekommen, wenn auch schon Jahre zuvor. Sie blieb immer das Ostmädchen. Und Stefan Menche hatte das Talent, Dialekte nachzumachen. Da lag es nahe, ihn sächseln zu lassen.
Privat kam die Aggressivität oder Rivalität zwischen den vier Frauen kaum zum Tragen, da waren alle lieb zueinander. Was unterschwellig an Eifersucht existierte, kam dann in der Bösartigkeit der Rollendialoge heraus. Von dem, was sie sich da an den Kopf warfen, ist mir aber nicht soviel in Erinnerung geblieben, weil ich es normal finde, daß Frauen zickig zueinander sind – das erlebt man ja am laufenden Band. Und der Begriff „Lambert-Family“ hat auch damit zu tun, daß zumindest am Ende des Drehtages, wenn man zusammengesessen und gegessen hat, stets Harmonie herrschte und eben kein Konkurrenzkampf. Weil alle das Gefühl hatten: Es geht um nichts. Ein bißchen stressig wurde es immer, wenn Geld ins Spiel kam, wie bei „In Haßliebe Lola“, wo jeder bezahlt wurde. Da war plötzlich jeder ein kleiner schwieriger Star. Aber sonst hat jeder begriffen, daß das Filmen eine Sache ist, die uns allen Spaß machen soll und die sonst gar keinen Sinn hat. Außerdem war es hier so, daß in jeder Szene sowieso Nilgün Taifun die Oberhand hatte, weil sie am meisten redet und so schnell assoziiert, daß die anderen kaum hinterherkommen. Sie ist eine Selbstläuferin, dadurch treibt sie die Handlung voran. Doreen Heins mußte eher gebeten werden, mitzumachen, die hatte nicht so ein Bedürfnis, sich vor der Kamera zu produzieren und hat das vor allem aus Freundschaft getan. Andere wie Dennis Buczma wollten nicht ausgeschlossen werden: Dadurch, daß sie mitspielte, war sie im Freundeskreis präsent. Das sind also ganz unterschiedliche Temperamente, und so ergab sich die Rollenverteilung. Nilgün kriegte den größten Platz und das Problem war, auch Szenen interessant zu gestalten, in denen sie nicht dabei war.
Daß Renate Soleymany die ganze Zeit Englisch spricht, war eine Idee von mir. Aber die schauspielerischen Ambitionen von Baduri waren authentisch: Diese Szene, in der er beide Teile eines Liebespaares spielt, hatte er selbst angeboten. Die Szene, wo er auf seiner Filmmutter Renate Soleymany liegt, habe ich immer als rührend empfunden. Wenn man das sieht, mit der Verwirrung und Verzweiflung, die da rüberkommt, dann empfinde ich das nicht als Tabubruch oder als Provokation, sondern als eine emotional ganz starke Szene.
Das Schild „Psychotherapeutische Praxis Wielandstraße“ hatte ich zufällig an einem Hauseingang entdeckt. Ich wohnte zwar in der Charlottenburger Wielandstraße, aber ich habe mit dieser Praxis nichts zu tun gehabt, genausowenig wie meine Darstellerinnen. Der Filmdreh, der in „Was Sie nie über Frauen wissen wollten“ zu sehen ist, war für einen Werbespot, den Albert Kittler für eine Videothek machte. Olaf Stüben, der als Kritiker und Kinomacher arbeitete und eine Zeitlang auch meine Filme verliehen hat, hatte die gerade in einem Keller in der Dieffenbachstraße eröffnet. Die Ausstellung mit dem nackten Mann fand im „Laden für nichts“ in der Skalitzer Straße statt, zwischen Lausitzer Platz und Zeughofstraße, da ist jetzt ein Taxibetrieb drin. Die beiden jungen Frauen, die hinter den Dildos sitzen, waren die Aufseherinnen, die gucken ja auch entsprechend grimmig. Den Gegenschuß durchs Schaufenster nach draußen haben wir dann wohl später gedreht. Daß Baduri da plötzlich einen Vollbart trägt, hat mich, glaube ich, nicht besonders gestört. Das Flugzeugwrack lag irgendwo am Wegesrand, südlich von Berlin, auf einem Acker und einem kleinen Hügel. Zu jener Zeit haben wir ja viel die Ex-DDR erkundet. Ein paarmal bin ich daran vorbeigefahren, dann dachte ich: Das ist so pittoresk, das muß man aufnehmen, für irgendwas kann man das schon gebrauchen. Ich bin aber nicht hineingeklettert, sondern habe nur Nilgün reingeschickt. Die läuft ja los, wenn man ihr das sagt. Auch die verwackelten Aufnahmen in Kreuzberg, wo Dennis Buczma rumirrt und Plakatwände anschreit, und an der Mauer habe ich selbst gefilmt.
Wie schon bei „Die Liebeswüste“ hatte das Kopierwerk wieder Mist gebaut. Allerdings kam diesmal nicht das ganze Filmmaterial schwarz wieder, sondern mit „Würmchen“ auf den Bildern. Was man jetzt in „Was Sie nie über Frauen wissen wollten“ sieht, war wohl das, was man noch verwenden konnte. Vor allem diese lesbische Liebesszene habe ich in der beschädigten Form eingebaut, statt sie noch einmal zu drehen. Die beteiligten Damen waren auch nicht mehr willig.
Im Abspann das weitere Schicksal der Figuren schriftlich zu schildern, habe ich hier zum ersten Mal praktiziert. Das macht einfach Spaß. So kann man den Film weiterdrehen, ohne daß es was kostet und Mühe macht. Von „Was Sie nie über Frauen wissen wollten“ habe ich aber quasi ein Remake gedreht: „Und Gott erschuf das Make-up“. Diese Konstellation einer Gruppe, die ähnliche Probleme hat, durch die räumliche Enge aufeinander angewiesen ist und dann ein bißchen aufeinander losgeht, finde ich einfach reizvoll. Wie überhaupt ein Film, der keine ausgesprochene Hauptfigur hat, für mich immer interessanter ist, weil ich da auch leichter abschweifen kann von einer gradlinigen Handlung und nicht dauernd im Kopf haben muß, wo das hinläuft. Das erlaubt, offen zu sein für alles, was während der Dreharbeiten passiert. Die dramaturgische Steigerung ergibt sich dann aus der Anordnung der Szenen: die intensivsten werden weiter nach hinten gestellt.
Kritische Anmerkungen